zum Inhalt springen zur Navigation springen

Gunter Waldek 2014

Laudatio anlässlich der Verleihung des Oberösterreichischen Landeskulturpreises

Laudatio anlässlich der Verleihung des Oberösterreichischen Landeskulturpreises

Schon ein kurzer Blick in seine Partituren gibt Gewissheit, dass Gerald Resch sein Handwerk souverän beherrscht. Da wird nichts dem Zufall überlassen, der Komponist übernimmt die alleinige Verantwortung über alle Bereiche seiner Musik bis hin zum kleinsten crescendo, zur scheinbar unwichtigsten Phrasierung. Genauigkeit, Leichtigkeit, Anschaulichkeit, Vielschichtigkeit und Schnelligkeit: Fünf Schlagworte, den „Lezioni americane“ des italienischen Schriftstellers Italo Calvino entlehnt, die Gerald Resch nicht nur als Satzbezeichnungen für sein 2006 entstandenes Kammermusikwerk „Fünf Versuche nach Italo Calvino“ verwendet, sondern mehr oder minder auch als Kategorien seiner eigenen musikalischen Poetik betrachtet.

Anschaulichkeit gewinnt seine Musik durch konsequente Konzeption, die aber dennoch nie zum bloßen Konstrukt gerät. Manchmal ist schon der Titel ein Ansatzpunkt zum Verständnis: „Durchlässige Schichten“, „Pfade, die sich verzweigen“, „Nebeneinanderlinien“, „Nebel“, „Schleifen“- so benennt er fünf seiner mittlerweile etwa 50 Werke, die zu einem guten Teil prominent verlegt, aufgeführt und auf CD erschienen sind.

Vielschichtigkeit zeigt sich nicht nur in seinen Partituren, sondern auch in seinem musikalischen Werdegang und Profil: Er studierte Komposition in Wien, Köln und Graz, darüber hinaus aber auch Musikwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte. Seit 10 Jahren unterrichtet er an der Anton Bruckner Privatuniversität im Bereich Musikgeschichte und –analyse, seit 2008 Tonsatz an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien, einige Jahre lang gab er an Wiener Musikschulen auch Kompositionsunterricht. Gerald Resch, in Linz geboren und im Mühlviertel aufgewachsen, lebt seit 1993 in Wien. Etwa 10 Jahre lang war er dort für die Programmierung neuer und neuester Musik in der „Alten Schmiede“ verantwortlich und pflegt somit beste Kontakte zur jüngeren Komponistenszene in Österreich; aber auch in Linz sorgt er sich gemeinsam mit Irene Kepl als Leiter der Initiative „Musik im Raum“ um die Verbreitung zeitgenössischer Musik. Musikjournalistische Arbeiten für Zeitschriften und Fachlexika, Einführungsvorträge und Musikvermittlungsprojekte runden das Bild eines vielseitig interessierten und versierten Musikers ab. In den letzten Jahren hat seine künstlerische Tätigkeit gegenüber wissenschaftlichen Ambitionen eindeutig die Oberhand gewonnen, wie sich dem Werkverzeichnis und der eindrucksvollen Liste seiner Aufführungen leicht entnehmen lässt. Neben Wien, Rom, Prag, London, Paris und New York finden sich aber auch immer wieder Linz, Grieskirchen oder Hellmonsödt: ein Signal, dass ihn Oberösterreich nicht vergessen hat und immer wieder großzügig fördert, sagt er im Gespräch; vice versa aber wohl auch ein Zeichen weiterhin bestehender Beziehung und Verbundenheit zu seinem Heimatbundesland. 

Schon 2001 erhielt Gerald Resch die Talentförderungsprämie des Landes Oberösterreich, 2004 das Anton Bruckner Stipendium. Weitere Auszeichnungen waren u.a. der Theodor-Körner-Preis der Republik Österreich, der Förderungspreis der Stadt Wien 2011, der erste Preis beim TONALI-Kompositionswettbewerb Hamburg 2012 sowie mehrere Einladungen als Composer-in-Residence. Für den Landeskulturpreis 2014 reichte Gerald Resch drei Werke aus den letzten Jahren ein: „Cantus Firmus“ für Orchester, ein Auftrag des Festspielhauses St. Pölten, „Sieben Madrigale“ für fünf Stimmen und Akkordeon, die für das Kammermusikfest Lockenhaus entstanden, sowie das Orchesterwerk „Bossa Nova Arabica“, das für das Festival „Wien Modern“ und das RSO Wien geschrieben wurde. Darüber hinaus finden sich in seinem Werkverzeichnis vorwiegend Orchester- und Kammermusikstücke, die Liste der international renommierten Interpreten und Aufführungsstätten zeugt von seiner künstlerischen Präsenz weit über Österreich hinaus, auch die laufenden Aufträge signalisieren großes Interesse an dem erst 39jährigen Komponisten: City of London Festival, Hamburger Symphoniker, Musikverein Wien.

Gerald Resch hat es geschafft, seine eigene künstlerische Persönlichkeit zu entfalten. Als wacher Zeitgenosse reflektiert er aktuelle Ereignisse in seiner Musik; in der Gegenwart verwurzelt und stets offen gegenüber Neuem, bekennt er sich dazu, Beobachtungen aus seiner Lebenswelt als Impulse für sein Komponieren zu sehen. In seiner Musik verwendet er gerne relativ einfaches und wiedererkennbares Material, das er mit logischer Konsequenz, hoher Sensibilität und feinem Klangsinn weiterentwickelt und überlagert (ein anschauliches Beispiel dafür ist das zur Eröffnung des Brucknerfestes 2008 entstandene Orchesterstück „Land“, das Fragmente der Bundeshymne als Ausgangsmaterial verwendet. Anlässlich des Nationalfeiertages wurde das Stück vor wenigen Tagen von den Wiener Symphonikern im Musikverein wieder aufgeführt). Formale Symmetrien und Proportionen sind ihm ebenso wichtig wie plötzliche, unvorhersehbare und überraschende Wendungen. Sein waches Gehör erlaubt ihm, hochkomplexe Strukturen nicht nur zu entwickeln, sondern auch klanglich zu überschauen, sein individueller Gestaltungswille lässt ihn seinen eigenen Weg abseits gängiger Ideologien oder stilistischer Moden verfolgen. So bleibt seine Musik in ihrer mit größter Sorgfalt ausgearbeiteten Faktur und mit ihren in liebevoller Präzision gestalteten Details stets gut hörbar und weitestgehend verständlich, sie ist für die Ausführenden trotz oder vielleicht gerade auch wegen ihrer beinahe akribisch genauen Notation immer schlüssig und nachvollziehbar, sie verwendet eine zeitgemäße, individuell ausgeprägte Tonsprache, die trotz ihrer Aktualität und Aufbruchshaltung auf spürbare Distanz zu avantgardistischer Exaltierheit geht.

Den Bereich Vokalmusik hat Gerald Resch lange Zeit eher umgangen, erst in den letzten Jahren beschäftigte er sich intensiver damit. 2015 wird das Schauspielhaus Wien sein erstes Musiktheaterstück auf die Bühne bringen: Ein Genre, das ihn im Moment sehr reizt und ihn vor die Aufgabe stellt, eine überzeugende und für ihn vertretbare Balance zu finden zwischen den eher plakativen Anforderungen theatraler Bühnenwirksamkeit und selbst auferlegter kompositorischer Strenge.

Dennoch wird dieser geforderte Spagat sein Werk nicht grundsätzlich verändern, sondern allenfalls um eine Dimension erweitern, denn Gerald Resch ist es in seinen bisherigen Kompositionen gelungen, spannende Musik zu schreiben und die von ihm als Leitsatz erwählten Tugenden nach Italo Calvino konsequent umzusetzen: Unter einer farbigen und stets anschaulichen Oberfläche, die sich bereits beim schnellen Hören mit scheinbarer Leichtigkeit erschließt, verbergen sich in großer Genauigkeit entwickelte Modelle und Strukturen, die auch beim detaillierten Partiturstudium durch ihre Stringenz überzeugen. So vermag seine Musik in ihrer Vielschichtigkeit den anspruchsvollen Hörer und ein breiteres Publikum gleichermaßen zu faszinieren.